26. November 2014

Das Misstrauen ist berechtigt

Kommentar   Q David Hesse, Korrespondent Washington (Tages-Anzeiger)  Erstellt: 25.11.2014
Man muss nicht schwarz sein, um sich am Juryentscheid zu Ferguson zu stossen...

Mit schwarzer Haut lebt es sich anders in Amerika. Selbst der scheidende Justizminister Eric Holder kann davon berichten. Als er sich auf dem Weg ins Kino ­einmal verspätete und zu rennen begann, hielt ihn im Washingtoner Edelstadtteil Georgetown prompt eine Polizeistreife an. Leuchtete ihm ins Gesicht und stellte ihn zur Rede. Wer rennt, ist verdächtig. Holder war zu dem Zeitpunkt bereits Bundesstaatsanwalt, kein ­Jugendlicher mehr. «Heute mag ich der Justizminister sein», sagte er im August bei einem Besuch in Ferguson. «Doch ich bin immer auch ein schwarzer Mann.» Niemand bestreitet die unrühmliche Statistik. Polizei und Justiz packen schwarze Männer härter an in den USA. Afroamerikaner werden häufiger angehalten und durchsucht, öfter festgenommen und verurteilt – ­ja sie erhalten im Durchschnitt längere Haftstrafen als Weisse. Sieben von zehn schwarzen Amerikanern ­halten das US-Justizsystem deshalb für unfair. Ein ­katastrophaler Wert.
Mit dem Entscheid der Grand Jury im Fall Ferguson wird das Vertrauen nicht verbessert. Über drei ­Monate lang haben die Geschworenen unter Ausschluss der Öffentlichkeit Beweismaterial gesichtet und Zeugen angehört. Um zum Schluss zu kommen: Der weisse Polizist, der am 9. August den schwarzen Teenager Michael Brown erschossen hat, gehört nicht vor Gericht. Es gebe keine Anzeichen für gesetzeswidriges Verhalten.
Wenn dem so ist, dann stimmen die Gesetze nicht. Man muss nicht schwarz sein, um sich daran zu stossen, dass die Tötung eines unbewaffneten 18-Jährigen so sehr in Ordnung sein soll, dass es keine ­Klärung vor Gericht und der Öffentlichkeit braucht. Zumal die Polizei seit einigen Jahren Verdächtige in steigender Zahl erschiesst. «Racial Profiling» wird zum mörderischen Problem, wenn die Waffe locker sitzt.
Nach dem Juryspruch haben die USA nun wieder genau die Ausschreitungen erlebt, auf die sich zahl­reiche US-Medien schon seit Wochen erregt eingestellt hatten. Mögen die Demonstranten ihre Wut rasch in gewaltlose Bahnen lenken. Herunterschlucken aber sollten sie sie nicht.  

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